Ann Cotten

Autorin, Nagoya

Kunst ist mit der Ästhetik der Mittelschichten nicht vereinbar. Dieser Tage ist die politische Sprache im Westen sehr bürgerlich. Auf Sicherheit bedacht. Das ist absurd angesichts der Wirklichkeit. Unterschiedliche Menschen benutzen die Kunst aus unterschiedlichen Gründen; beispielsweise benutzt die Regierung die Kunst, um etwas stilvoller daherzukommen. Auch reiche Tussen, die eine Ahnung von Kunst haben, wissen, dass sie sich der Kunst hingeben müssen. Man muss dafür so viel bezahlen, dass einen die Ausgabe ruiniert. Nur dann kann Kunst eine irgendwie substanzielle Hilfe sein. Anders gesagt, man kann Kunst nicht kaufen, sondern muss sein Leben für die Kunst wegschmeißen. Das gilt für Sammler, Galeristen und Künstler gleichermaßen.

 

Die traditionelle Infrastruktur des Repräsentierens durch Kunst ist das schwächste Glied der Kunstwelt (Unkenntnis und Schönheit sind nicht die schwächsten, sondern die weichsten Glieder). Ich will keine Briefe mehr von Kulturarbeitern, die den Inhalt ignorieren und nur über die Organisation der Infrastruktur sprechen. Damit Leute mit Geld sich im Gespräch mit Künstlern sicherer fühlen, und um den Künstlern etwas von ihrer Überheblichkeit zu nehmen, schlage ich vor: In jedem Kunstraum, der eine Neigung zu Cocktailpartys entwickelt, wird eine »Position« aufgebaut. Eine »Position« ist ein einbeiniger Mann oder eine einbeinige Frau. Dieser Mensch wird seinen Hintergrund mitbringen und die Leute physisch daran erinnern, dass ihr Unbehagen gute Gründe hat. Das bedeutet eine weitere verpflichtende Aufwendung für Galerien. Ich schlage vor, dafür den White Cube verkommen zu lassen. Beim Weißen der Galeriewände sollte es ein fünfjähriges Moratorium geben. Das dabei eingesparte Geld sollte für den Lohn der Position ausgegeben werden.

 

Ich verbleibe mit den besten Wünschen,

DER ALTE FRITZ

 

 

Quelle: P/Act for Art: Berlin Biennale Zeitung

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