Diana McCarthy

Freies Künstlerradio, Berlin

Berlin ist fantastisch. Voll interessanter Leute, Orte und Ereignisse. Man kann hier immer etwas tun, irgendwohin gehen, Leute treffen. Das hat sich inzwischen herumgesprochen. Seit Jahren kommen Künstler aus allen Bereichen in Scharen, um hier ihre Träume zu verwirklichen, mitzumachen oder bloß zu konsumieren, was das Angebot hergibt. Und dann sind da noch die Touristen. Ich könnte über die Voraussetzungen sprechen, die diesen Tourismus möglich gemacht haben – aber die meisten von uns wissen auch darüber Bescheid. In Berlin ging es immer vor allem um den Raum für Dinge, die man anderswo nicht tun kann, nicht nur um die niedrigen Mieten. Ausstellungen, Lesungen, Filmvorführungen, Klubs, Konzerte – die Stadt strotzt vor interessanten (oder langweiligen) Kulturereignissen. Sie finden in Kellern mit billigem Bier statt, in Buchläden, Kunsteinrichtungen, in Klubs, an offiziellen, inoffiziellen und allen anderen nur erdenklichen Orten. Dies ist die ultimative Stadt für die »kreative Klasse«. Das macht sie auch zum ultimativen Ort für ein freies Künstlerradio.

 

Berlin ist mangels einer Kapitale des 21. Jahrhunderts unsere Hauptstadt der Kultur. Die eigentliche Frage lautet, welcher politische Wille hier vorhanden ist, die Stadt lebendig zu halten. Nach dem gescheiterten Experiment der Neuen Mitte sollte der Senat seine überholte Kulturpolitik überdenken, denn diese Politik heizt nur die Prozesse der Immobilienspekulation und der Gentrifizierung weiter an. All die kulturelle Arbeit hat eindeutig einen wirtschaftlichen Wert – beispielsweise die Euros der Touristen. Aber hat die Stadt für ihre kreativen Bewohner wirklich mehr übrig als bloß eine Werbekampagne? Läuft es wirklich auf Stadtmarketing hinaus? Auf welche Art von kultureller Landschaft können wir uns in den nächsten Jahren freuen?

 

Offensichtlich ist Geld nicht das einzige Thema, denn es geht auch darum, das Leben und Arbeiten in Berlin weiterhin möglich zu machen. Und dieses Anliegen muss sich in einer Kulturpolitik ausdrücken, die ein Bekenntnis zu den unterschiedlichen in der Stadt aktiven Szenen enthält. Wie könnte so eine Politik aussehen? Die nächstliegende Antwort heißt: Fragt diejenigen, die es angeht! Aber natürlich könnten auch alle nach Lissabon übersiedeln.

 

 

Quelle: P/Act for Art: Berlin Biennale Zeitung

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