ELA KAGEL

Freischaffende Kuratorin und Produzentin

Ich wünsche mir, dass die Kunst Utopien und Modelle schafft, die so stark sind, dass sie in ihrer Gültigkeit für sich selbst stehen können, und dass sie jeden, egal ob Politiker, Kurator oder sonstigen Betrachter, zum Nachdenken und Handeln bringen. Wenn der Konformismus in der Kunst abgelöst würde von Idealismus und einem unbeirrbaren Willen zur Transformation unserer gesellschaftlichen und politischen Strukturen – das wäre ein wünschenswerter erster Schritt.

 

Was uns weiterhin fehlt, sind Schnittstellen für einen echten Austausch jenseits von Vereinnahmungen, Bürokratie, Berührungsängsten und den berühmten guten Absichten. Debatten sind wichtig, aber sie führen meist nicht über die ängstlich gehüteten Meinungs-Vorgärten hinaus. Wir brauchen neue, unabhängig moderierte Formate für den Austausch zwischen den Akteuren innerhalb der Kunstszene.

 

Wir müssen diejenigen stärken, die sich gerade mutig für die freie Kunstszene einsetzen – und jene herausfordern, die sich hinter Floskeln verstecken. Mit »wir« meine ich die Künstlerschaft sowie die Vertreter der Kunstinstitutionen. Von der Politik erwarte ich hier, trotz aller Diskussionsbereitschaft, zunächst einmal gar nichts. Zuallererst muss sich die Kunstszene selbst in die Pflicht nehmen.

 

Und zwar dahingehend, dass sich Künstler als Teil einer Gemeinschaft begreifen und beginnen, ihr Wirken in einem größeren Kontext zu betrachten. Auf dieser Basis entsteht mehr Sichtbarkeit für die einzelnen Akteure und letztendlich auch ein besserer Überblick über Ressourcen, die man sich möglicherweise teilen könnte.

 

Ich wünsche mir schon seit Langem ein unabhängiges Ressourcen­center für Berlin, in dem wie bei einem groß angelegten »Suchen & Finden«-Büro Räume, verfügbare Zeit, Materialien, Kontakte und vieles mehr angeboten werden. Die digitale Kultur lehrt uns derzeit, wie effektiv es sein kann, wenn sich Gemeinschaften zusammenschließen: Auf Crowdfunding-Plattformen sammeln Künstler und Kreative Geld für ihre Vorhaben – direkt von ihrer Community. Es entstehen ganz neue Formen des Mäzenatentums und der Beteiligungen am Werk von Künstlern. Es werden Erfahrungen, Kenntnisse und Know-how (sprich: wertvolles Wissen) im Rahmen von offenen Standards ausgetauscht. Sicherlich bringen diese kulturellen Praktiken auch wieder eine Menge neuer Herausforderungen mit sich, aber sie sind unbestritten wirksam und effektiv. Und sie haben einen weiteren Nebeneffekt, den man gern auch als »Selbstermächtigung« bezeichnet. Ich denke, dass wir hier einiges auf die derzeitige Schieflage in Berlin übertragen können. An der Selbstermächtigung und der Identifikation mit der Gemeinschaft werden wir uns nicht vorbeidrücken können – das sind letztendlich die Voraussetzungen für eine starke Wirkung nach außen, ganz egal, wer auf uns schaut.

 

 

Quelle: P/Act for Art: Berlin Biennale Zeitung

Shop
10. Berlin Biennale