Jan Verwoert

Autor, Berlin

Es ist fast schon lustig: Nein, Berlin ist nicht New York. Der Stadt fehlen die Mittel, um die Illusion aufrechtzuerhalten, dass Sichtbarkeit Wert schafft (und du bekommst, was alle wollen, wenn du es nur bedingungslos genug willst). Drüben funktioniert das, weil sich die Beziehungen zwischen Geldgebern, Direktoren, Galeristen, Sammlern usw. so verfestigt haben, dass vorgezeichnete Karrierewege existieren. Statt für Inspiration sorgt diese Sozialarchitektur letztlich aber bloß für Paranoia: Wer kriegt als Nächster die große Chance, den Scheiterhaufen besteigen zu dürfen – du oder ich?

Wollen wir das wirklich auch? Der Gallery-Weekend-Karneval legt nahe: Oh ja, tun wir. Aber dann kommt der Montag danach, wenn das Geld die Stadt verlassen hat und alle mit dem Gefühl in die Cafés zurückkehren: »Okay, wo waren wir vorm Wochenende noch mal stehen geblieben …«

Und die öffentlichen Institutionen? Kulturell liberal und strukturell konservativ: die deutsche Malaise; die Logik für die Staatlichen Museen und Akademien in Berlin liefert weiterhin Kafka. Können sich solche Orte ändern? Kommt bei dieser Frage noch irgendwem das Lachen? Oder sitzen schon alle an ihren Doktorarbeiten? Hr. / Fr. Dr., fürs jüngste Gericht bitte hier anstellen …

Können wir uns nicht einfach eingestehen, dass Berlin provinziell ist und die Chance genau darin liegt? Denn es ziehen KünstlerInnen aus der ganzen Welt zu uns aufs Preußische Kasernengelände. Die Stadt ist da als Gastgeber gefragt. Und Glamour gehört absolut dazu. Aber es sind Leute, die der Stadt Glamour geben. Sie verdienen Liebe, nicht die Stadt. Für sich genommen repräsentiert Berlin nichts. Also muss Berlin auch nicht repräsentiert werden.

Sind eure Ausstellungsräume zu groß? Dann macht kleinere Ausstellungen. Aber ladet mehr KünstlerInnen ein. Und holt Leute ins Haus, die über die Kunst sprechen. Denn das ist das, was Provinzorte im Idealfall produzieren – ein echtes Bedürfnis, darüber zu reden, was man sich wünscht: welche Art von Kunst und Kultur man machen könnte. In alten Metropolen tut man gern so, als sei das eh klar. In der Provinz dagegen können Städte noch gemeinschaftlich interpretiert werden. Solche Interpretationsgemeinschaften kann man nicht vorsätzlich herstellen. Aber man kann ihnen zuhören. Worauf es ankäme, wäre also, in der Kunst Räume zu schaffen, wo auch informelle, spekulative und provokative Vorschläge dazu, was künstlerisch (und allgemein – hier und überhaupt) Bedeutung haben könnte, fortlaufend ein breites Gehör finden. An bestimmten Orten in Berlin passiert das ohnehin schon. Aber wäre es die Sache nicht wert, das noch viel entschiedener zu unterstützen?

 

 

Quelle: P/Act for Art: Berlin Biennale Zeitung

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