Joerg Franzbecker

Kurator, Berlin

Die aktuellen Proteste und Widerstände der Kulturszene gegen die Entwicklungen und Affekte einer konzeptionell und sozial wie ökonomisch äußerst problematischen Kultur- und Stadtentwicklungspolitik sind im Wesentlichen Initiativen und Zusammenschlüssen »freier« Akteure zu verdanken. Die Institutionen und deren Vertreter, die doch mitunter ähnliche Interessen verfolgen, konnten die Initiativen in ihrer Entschlossenheit – mit wenigen Ausnahmen – nur begleiten statt prägen. Dies ist vermutlich nur bedingt auf deren Repräsentationsstatus oder politische Verflechtungen zurückzuführen, die für widerständige Haltungen einfach hinderlich sind. Vielmehr liegt ein wesentlicher Grund in deren Verfasstheit und einem offensichtlich zu aktualisierenden Verständnis institutioneller Praktiken.

 

Denn wenn auch das Attribut »frei« der Akteure in diesem Zusammenhang im Allgemeinen erst einmal unbezahlt beziehungsweise in keinem festen Beschäftigungsverhältnis stehend meint und in der Regel auch die Zuschreibung »nicht institutionell« mitgedacht wird, bezieht sich eine Opposition zum Institutionellen weniger auf juristische Formen, sondern häufig auf unterschiedliche Handlungsweisen und Abhängigkeiten. Würde man allerdings die verschiedenen Praxen der beteiligten Akteure genauer fassen sowie Alternativen offen und in gemeinsamer Arbeit weiterentwickeln, entstünden daraus neben Spannungen innerhalb der hergebrachten Selbst-/Zuschreibungen – frei/institutionell – sicher auch neue wie erweiternde Koalitionen. Das Ziel sollten dabei Prozesse sein, innerhalb derer eine beständige Aktualisierung der jeweiligen Zusammensetzungen, der Mechanismen und Produktionsbedingungen wesentlich ist. Eine solche instituierend zu nennende Praxis würde sich vom klassischen Institutionsverständnis verabschieden und limitierende Produktionsbedingungen als auch eingeschriebene

 

Artikulationsformate – wie das in der Kunst maßgebende Format der Ausstellung – erweitern. Hierfür ist es allerdings  erforderlich, dass die Institutionen sich aktiver an den Prozessen beteiligen und ihre Spielräume und Freiheiten radikaler einsetzen. Sicher würden sich unter diesen Voraussetzungen auch die freien Akteure, die solche Handlungsformen bereits praktizieren, für neue Koalitionen noch weiter öffnen.

 

Gefordert ist dabei allerdings ganz wesentlich auch die Politik. Mit ihren Verwaltungsapparaten muss sie die Rahmenbedingungen schaffen, innerhalb derer solche offeneren Formen auch für die Förderpolitik der Kultur etabliert werden können. Es braucht eine Kunstförderung, die sich nicht an Verwertung, Besucherzahlen und Presseveröffentlichungen orientiert, sondern künstlerische wie kuratorische Wissensproduktion in den Vordergrund stellt, die den komplexen Handlungsformen der Kunst immanent ist.

 

 

Quelle: P/Act for Art: Berlin Biennale Zeitung

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