John Miller

Künstler, Berlin / New York

1

Ja. Kunst ist immer ein Teil des politischen und intellektuellen Diskurses, auch dann, wenn das auf den ersten Blick nicht zutrifft.

 

2

Vom bürokratischen Standpunkt aus gesehen ist es immer einfacher, Mittel etwa für das Gebäude eines Stararchitekten zur Verfügung zu stellen, als laufende Programme zu finanzieren. Es ist auch immer einfacher, konservativere Kunstformen wie ein Symphonieorchester mit einem musikalischen Repertoire aus dem 19. Jahrhundert zu fördern, als neue oder erst entstehende Kunstformen zu unterstützen. Das ist ein Problem der Verdinglichung.

 

3

In den Vereinigten Staaten stammt das Geld für alternative Projekte überwiegend von Privatpersonen, Stiftungen und Unternehmen. Öffentliche Geldgeber spielen in diesem Bereich so gut wie keine Rolle. Die Gefahr des US-amerikanischen Modells liegt darin, dass es marktliberale Vorstellungen vom gesellschaftlichen Status des Kunstwerks begünstigt. Zwar sind öffentliche und private Geldgeber gleichermaßen bedeutend. Doch der entscheidende Beitrag zum Diskurs kommt von Künstlerinitiativen. In New York hatte beispielsweise die Orchard Gallery in den drei Jahren ihres Bestehens erheblichen Einfluss auf das Geschehen. Ihr gelang ein produktiver Drahtseilakt zwischen den Modellen des Marktes und des akademischen Betriebs. Ihr Programm beinhaltete nicht nur Ausstellungen, sondern auch Filmvorführungen, Diskussionen und Performances. Manchmal hat der Erfolg einer kulturellen Intervention damit zu tun, dass man sie von einer vorgefundenen Infrastruktur abkoppelt.

 

4

Jede Geldzuwendung entspringt dem Wunsch, kulturelles Kapital gegen finanzielles Kapital einzutauschen. Man muss das Vorgehen daher von Fall zu Fall beurteilen, nicht kategorisch. Wenn finanzielle Unterstützung mit reaktionärer Politik verbunden ist, sollte man sie selbstverständlich zurückweisen. Doch eine wertfreie Subvention gibt es nicht.

 

5

In den Vereinigten Staaten kann man zwischen dem Komplex aus Galerien und Museen einerseits und dem Universitätsbetrieb andererseits unterscheiden. Innerhalb einer umfassenden politischen Ökonomie legitimieren beide den ästhetischen Diskurs in wechselseitiger Form. Manchmal ist der Konkurrenzkampf im vermeintlich nicht kommerziellen Bereich der Universitäten sogar schärfer.

 

6

Auf freiwilliger Basis ist das jedenfalls eine von mehreren Möglichkeiten.

 

7

Diese Frage lässt sich nicht mit einer einzigen Replik beantworten. Doch sie zielt zum Teil auf die Instrumentalisierung des Künstlers (d. h. auch auf die ästhetische Autonomie) – sollte das Kunstwerk als ein Mittel zum Zweck benutzt werden? Manchmal durchaus. In der Praxis sind die Grenzen nicht so klar, und es sind immer mehrere verschiedene Arten von künstlerischer Verantwortung im Spiel.

 

8

Um dazu Stellung zu nehmen, bin ich zu wenig über die Einzelheiten informiert.

 

9

Da sich viele Künstler von based in Berlin manipuliert fühlten, weil ihre Kunst benutzt wurde, um Werbung für die Stadt oder für das kulturelle Profil von Klaus Wowereit zu machen, bietet sich diese Ausstellung als Beispiel an. In diesem Fall war das Problem nicht so sehr eines der Institution, sondern der fehlenden kuratorischen Substanz: eine lokale Sammelausstellung junger Künstler. Vielleicht hatten die teilnehmenden Künstler das Gefühl, dass ihre Kunst für die Tourismusförderung in Berlin ausgenutzt wurde. Dabei ist die touristische Funktion der documenta viel größer. Zumindest die documenta X und die Documenta11 wurden diesbezüglich aber kaum kritisiert, weil sie gehaltvoll waren. In New York hatten Ausstellungen wie Greater New York und Younger Than Jesus dieselben Probleme wie based in Berlin: fehlende inhaltliche Schwerpunkte (ein »Überblick« ist keine funktionierende Prämisse) und Jugendfixierung. Wenn Künstler sich unter diesen Voraussetzungen ausgebeutet fühlen, sollten sie ihre Teilnahme verweigern.

 

10

Sprachprobleme kann man nicht abschaffen. Es ist besser, sich mit sprachlichen Unterschieden herumzuschlagen, als mangels Alternative in eine englischsprachige Monokultur zu verfallen.

 

 

Quelle: P/Act for Art: Berlin Biennale Zeitung

Shop
10. Berlin Biennale