Karin Rebbert

Geschäftsführerin, Neue Gesellschaft für Bildende Kunst e.V., Berlin

Lieber Artur Żmijewski,

vielen Dank für die Einladung, durch ein Statement zur Diskussion des »Kulturabkommens« der 7. Berlin Biennale beizutragen. Ich teile zwar die Einschätzung, dass Gesprächs- und Handlungsbedarf besteht. Patentrezepte für Kunstpolitik, etwa in Form des vorgeschlagenen Abkommens, scheinen mir allerdings kaum dazu geeignet, der herrschenden Logik der Mangelverwaltung und Verteilungskämpfe zu entkommen. Um das zu bewerkstelligen, müsste einer weiteren Debatte die genaue Analyse unterschiedlicher Interessen vorausgehen. Die Gemengelage ist kompliziert, und die am kulturellen und kulturpolitischen Geschehen Beteiligten verfolgen vielfach sehr unterschiedliche Ziele. Während es etwa die Produktions- und Ausstellungsbedingungen sind, die für Künstler_innen und Kulturproduzent_innen Priorität haben, streben ausstellende Kunstinstitutionen zumeist eine langfristig gesicherte Finanzierung an. Ihr Interesse ist neben inhaltlicher Autonomie immer auch der Erhalt der Institution – im günstigsten Fall in Koexistenz und in inhaltlicher Ergänzung zu den anderen Akteuren; im ungünstigsten Fall in Konkurrenz. Die auf komplexe Weise miteinander verwobenen und aufeinander bezogenen Interessen von Produzent_innen und Institutionen führen so fast zwangsläufig zu unterschiedlichen Politiken gegenüber dem dritten Vertragspartner, den die 7. Berlin Biennale – neben Künstler_innen und Kunstinstitutionen – in ihr »Kulturabkommen« eingebunden sehen will: »die für die Stadt verantwortlichen (Kultur-)PolitikerInnen«. Auch hier ist meiner Auffassung nach Differenzierung geboten. Schließlich wirken auf die Ausgestaltung und Umsetzung von Kulturpolitik auch die Berliner Kulturverwaltung, Stiftungen, Fonds, Ausschüsse, Gremien, Beiräte, Jurys, Interessenvertretungen, kulturpolitische Initiativen u.a. ein. Strukturell neue, veränderte (kunst-)politische Konzepte ohne Berücksichtigung des Einflusses dieser Beteiligten entwerfen zu wollen, wäre meiner Einschätzung nach naiv und kurzsichtig. Sehr wohl notwendig erscheint mir dagegen, unterschiedliche Akteure miteinander ins Gespräch zu bringen und Allianzen zu schaffen. Die Resonanz auf das Papier der Initiative »Haben und Brauchen« hat gezeigt, dass es sinnvoll ist, Kritik an spezifischen politischen Vorhaben festzumachen und ein konkretes Gegenüber zu adressieren. Nicht nur dem Regierenden Bürgermeister, sondern auch der derzeitigen Opposition dürfte es unangenehm sein, wenn sich kulturelle Akteure miteinander verbinden und politische Programme und Maßgaben kritisieren oder etwa Wahlkampfstrategien vor dem Hintergrund innerparteilicher Auseinandersetzungen problematisieren. Genau hier wäre anzusetzen und vom Kunst- und Kulturbetrieb wie von der Politik einzufordern, Kulturpolitik – auch über die naheliegende Repräsentation eigener Belange hinaus – konstruktiver mit Stadtentwicklungspolitik, Bildungspolitik oder etwa Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zusammenzudenken.

 

Mit herzlichen Grüßen

Karin Rebbert

Berlin, den 8. August 2011

 

 

Quelle: P/Act for Art: Berlin Biennale Zeitung

Kommentare

  1. Doozer

    Lady! Sweet mind but words like straw. I better get some yellow caps.

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