Ute Meta bauer

Professorin und Kuratorin, Cambridge / Berlin

Bezieht sich die erste Frage auf das kulturpolitische Engagement Deutschlands und dessen Förderstruktur, ist zu berücksichtigen, dass bei Kunst-, Kultur- und Bildungsfragen Länderhoheit besteht. Bezieht sie sich auf Berlin, bin ich zu wenig über den aktuellen Stand der Dinge informiert. Der Kulturbetrieb funktioniert längst international, und dadurch ist das Interesse an lokalem Engagement bei denjenigen, die des Öfteren den Standort wechseln, nicht übermäßig ausgeprägt. Bei lokaler Kulturpolitik spielt auch Nationalität eine Rolle, bezüglich Abstimmungsfähigkeit und politischer Durchsetzungskraft, was konträr zu transnationalen oder anti-nationalen Ansätzen kritischer Kulturpolitik steht.

 

In Hamburg, wo ich studiert habe, wurde in den 1980er-Jahren der »Arbeitskreis Bildende Kunst« gegründet. Darin saßen wechselnde VertreterInnen der unterschiedlichen Interessengruppen – KünstlerInnen, Galerien, Institutionen, aber auch die Kunsthochschule. Gründungsmitglieder waren unter anderem der Künstler Klaus Geldmacher und der damalige Kunstvereinsdirektor Uwe M. Schneede. Die Empfehlungen und Entscheidungen des Arbeitskreises wurden von der Hamburger Kulturbehörde bzw. dem Senat umgesetzt. Es ging nicht um heiße Luft. Der Arbeitskreis etablierte zum Beispiel »Die Woche der bildenden Kunst der Freien und Hansestadt Hamburg« (WdbK), die jährlich von einer anderen Gruppierung konzipiert und realisiert wurde, und stellte so zumindest einmal pro Jahr Mittel für ein offenes, experimentelles Format zur Verfügung. Jeder Kulturschaffende / jede Gruppe konnte ein Projekt einreichen, über das der Arbeitskreis Bildende Kunst abstimmte. So konnte unsere KünstlerInnen-Gruppe »Stille Helden e. V.« (noch im Studierenden-Status) den dreitägigen Kunstkongress ’88 im Kunstverein Hamburg, im Theater der Kunsthalle Hamburg und auf der damals neuen Kunstmesse »Forum« realisieren. Ausgestattet mit einem Budget von 100.000 DM, war dies eine Plattform, Positionen jenseits des etablierten Kunstbetriebs vorzustellen. Dagegen-Dabei von Bettina Sewkow und Ulrich Dörrie war ein Projekt der WdbK Hamburg 1994 / 95, wo zum Beispiel mehr als 16 unabhängige Projekte vorgestellt und in einer Publikation dokumentiert wurden.

 

Auch die Etablierung von Verwertungsrechten von KünstlerInnen über die VG Bild-Kunst und die Gründung der Künstlersozialkasse wurden mit angestoßen. Die wechselnde Jury für das Arbeitsstipendium für bildende KünstlerInnen wurde ebenfalls vom Arbeitskreis bestimmt. Solche Entscheidungen oblagen somit nicht ausschließlich der Behörde, sondern wurden von dieser vor allem umgesetzt. Dies als Beispiel für ein gelungenes Modell, wie man sich kontinuierlich und mit Nachdruck lokal engagieren sowie überregional und international politisch vernetzen kann.

 

Kann die lokale Kunstszene nur »fordern« oder im besten Fall Empfehlungen aussprechen, werden sich wohl wenige der Mühe unterziehen, »bezahlten VolksvertreterInnen«, wie dem Berliner Regierenden Bürgermeister, unentgeltlich Nachhilfe in Kulturbelangen zu erteilen.

 

 

Quelle: P/Act for Art: Berlin Biennale Zeitung

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