Video von Rafał Żwirek

Überlegungen zur „Peace Wall“

von Nada Prlja

 

Lesen Sie hier den Essay komplett auf Englisch.

 

In diesem Essay möchte ich mich mit einigen Problematiken auseinandersetzen, die das Projekt „Peace Wall“ verursacht hat und die meine Meinung darüber beeinflusst haben, wie ein „kritischer“ Künstler im öffentlichen Raum arbeiten sollte. Die „Peace Wall“ entstand mit dem zuvor gesetzten Ziel, in dem Gebiet der Friedrichstraße existierende, spezifische soziale, politische und ethische Prozesse, zu initiieren und offenzulegen. Erwartungsgemäß wurde dieser Prozess der Aufdeckung turbulent – aber die Reaktionen auf das Projekt während des Bestehens der „Peace Wall“ (2.5.2012 bis 15.6.2012), übertrafen unsere Erwartungen bei weitem.

 

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Welche versteckten Politik- und „Macht“-Manöver haben die „Peace Wall“ in Berlin möglich gemacht? Welche höhere politische Konstellation hat es zugelassen, eine „neue“ Mauer in der Friedrichstrasse zu bauen, die die Straße nach zwei Jahrzehnten erneut teilt? Verrät diese Zustimmung etwas über die neuen Politiken einer Stadt in der „anything goes“, also alles möglich ist? Oder zeigt sich hier vielleicht der Respekt vor der Kulturindustrie (eine der lukrativeren Industrien, die momentan 20% der städtischen Einnahmen generiert)? Oder offenbart die Situation vielleicht die Überreste eines Schuldbewusstseins auf nationalem Level – verbunden mit dem anhaltenden Kulturliberalismus in Deutschland und der Tendenz, kulturelle Aktivitäten als positive, therapeutische oder pädagogische Vorgehensweisen zu begreifen? Zu welchem Ausmaß ist diese Situation auch eine Reflexion von mir selbst, als Initiatorin der „neuen“ Mauer?

 

Die meist diskutierten Fragen in Zusammenhang mit der „Mauer“ waren: Wer erlaubte warum, die Mauer zu bauen? Wer hat die offizielle Zustimmung zu den notwendigen Genehmigungen gegeben? Wir (die Kunstinstitution und ich) folgten den Regeln und der Gesetzgebung aber trotzdem fühlten sich die Menschen von unseren Aktionen schikaniert. Illustriert das unsere eigenen Fehler (die der Kunstinstitutionen und der Künstler) oder die Fehler im System selbst?

 

 

Im Laufe des zweiten Monats, in dem das Kunstwerk stand, veränderte sich unsere Strategie. Ich involvierte mich direkt und verbrachte zwei Wochen vor Ort, redete mit den Menschen auf den Straßen um die Mauer. Meine Präsenz war als Einladung an die Anwohner gedacht, die Situation objektiv zu betrachten, die geschaffene Situation als Möglichkeit der aktiven Einflussnahme auf soziale Angelegenheiten zu verstehen. Wie auch immer, allein ich war in der Lage, diese „Objektivität“ herbeizuführen, durch eine merkwürdige Art des Angebots (eine Form der Selbstopferung) und dadurch, überzeugend zu sein, wenn ich mit den Anwohnern sprach. Ich habe zugelassen, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf mich richten und an diesem Punkt widerwillig die „Rolle einer Künstlerin“ angenommen. Da ich gleichzeitig vor Ort arbeitete, wurde ich von der komplexen Verbindung, die ich mit den anderen institutionellen Beteiligten (Kuratoren, Kunstinstitution, Bezirksbürgermeister) eingegangen bin, separiert. In diesem Prozess der Verfremdung richtete die Gemeinschaft ihre Aggression vor allem gegen mich – die Künstlerin. Eine Gruppe „verärgerter“ Bürger war sich ihrer Macht über das einzelne Individuum bewusst. Die Künstlerin wurde als schwaches Ziel wahrgenommen.

 

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Wenn eine Gemeinschaft die Entfernung eines Kunstwerks aus dem öffentlichen Raum verlangt, muss der Künstler diese Forderung ernst nehmen und auf die Wünsche reagieren, er/sie muss die Fähigkeit haben, zuzuhören, flexibel zu sein, zu verstehen und auf die Komplexität der entstehenden Situation eingehen... Die „Neue Mauer“ (Peace Wall) wurde abgetragen und recycelt, um das Objekt davon abzubringen, ein „Monument“ vergangener politscher und sozialer Prozesse zu werden. Diese Gemeinschaft ist auf dem Weg, ihren eigenen aktiven und engagierten Frieden zu etablieren.

 

Eine filmische Dokumentation über die „Peace Wall“ erscheint im September 2012.

Dank an JJ Charlesworth

Der Wirkungsraum? der Peace Wall

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NADA PRLJA STIMMT DEM ABBAU DER „PEACE WALL“ AM 15. JUNI 2012 ZU

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„Peace Wall” von Nada Prlja

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