Wir sollten einen Anfang wagen

von Michaela Filla

Kunstgenießern ist die siebte Berlin Biennale nicht sexy genug. Kunst, die Position bezieht und auch ihren Betrachter dazu auffordert, die nicht nur auf Missstände aufmerksam machen will, sondern auf Realität wirken will, indem sie handelt und zugleich zum Handeln anregt, empfindet der Kunstkritiker Hanno Rauterberg als saure Pflicht. Er hätte sich eine Biennale der Lust gewünscht. Aber auch weniger sinnlich motivierte Besucher kommen nicht auf ihre Kosten. Zumindest lässt die überwiegend negative Resonanz der Presse darauf schließen. Ist die Kritik berechtigt? Sind die Aktionen, die auf der Biennale präsentiert werden, tatsächlich banal, kitschig, naiv oder wollen einfach nur provozieren? Genügt ein Rundgang durch die Kunstwerke, womöglich noch am Eröffnungsabend, als Zwischenstation während des Gallery Weekends, um sich eine fundierte Meinung zu bilden? Überzeugt eine Kritik, die die Biennale für gescheitert erklärt, weil Occupy in der Haupthalle der Kunstwerke nichts mit der aktivistischen Euphorie im Zuccotti Park zu tun hat? Zugegeben, wenn man die Wirksamkeit der präsentierten Aktionen ausschließlich in der Auguststraße sucht, wird man enttäuscht.

 

Die diesjährige Berlin Biennale ist keine gewöhnliche Ausstellung. Artur Żmijewski bezeichnet sein Konzept als angewandte Gesellschaftskunst. Er versteht Kunst als Werkzeug, mit dem sich Wissen erlangen und verbreiten lässt. Den Einfluss den Wissenschaft, Politik und Religion auf öffentliche Diskurse und damit unsere Weltsicht ausüben, besitzt laut Żmijewski auch die Kunst. Er ist davon überzeugt, dass Künstler sich zu ihrer Macht soziale Probleme zu benennen und dadurch Druck auf Teile gesellschaftlicher Strukturen ausüben zu können, bekennen sollten. Das Bedürfnis nach Autonomie und die Angst vor einer erneuten Instrumentalisierung habe dazu geführt dass Künstler sich von Zwecken der Politik, Religion und Macht distanzierten. Sie hätten dadurch aber auch verlernt „Beziehungen mit der menschlichen Realität aufzubauen, um Handlungsmöglichkeiten zu erarbeiten und Werkzeuge zu erlangen, um Macht und Wissen zu verwirklichen.“

 

Hier scheint es um das Wesen der Kunst zu gehen. Steht sie wieder an einem Scheideweg? Vergleichbar mit der nach dem Krieg geführten Debatte über den Vorrang von Abstraktion oder Figuration in der Malerei? In der Entwicklung der Kunst oblagen die Abstrakten. Sie führten die Kunst durch die Loslösung vom Gegenstand und die Konzentration auf den Herstellungsprozess zu einer bis dahin nicht gekannten Autonomie. Wie Żmijewski beschreibt, lässt sich in der heutigen Kunst jedoch ein Bruch feststellen. Denn einerseits sei der Künstler nach wie vor Auftragnehmer des Staates und des gesamten Wirtschaftsapparats, stehe als Produzent visueller Umgebungen, visueller Informationssysteme, von Innenarchitektur und Industriedesign, im Dienst der Gesellschaft, versuche aber andererseits, durch eine herausfordernde Haltung und die Verifizierung von Tabus, der Reduzierung auf eine reine Dienstleistung zu entgehen. Laut Żmijewski mindert die Verwirklichung der Pflicht die Kraft des Aufstandes. Zudem habe sich eine eigentümliche Ästhetik eines von Scham begrenzten Aufstandes entwickelt, dessen Ziel einzig ein edles sein dürfe. Kunst beziehe sich zwar auf die Gesellschaft, generiere aber keine gesellschaftlichen Folgen. Żmijewski fordert dazu auf, die Pattsituation zwischen Pflicht und Aufstand aufzulösen. Er schlägt eine politische Verwirklichung jenseits von Galerie und Kunstmarkt vor und befürwortet die Einmischung in reale politische Auseinandersetzungen, die in einer anderen gemeinsamen Sphäre, zum Beispiel den Medien, stattfinden.

 

Ein Projekt, in dem Żmijewski das Potential zur angewandten Gesellschaftskunst erkannte, ist Martin Zets Aktion „Deutschland schafft es ab“. Der Aufruf löste sofort eine heftige Debatte aus. Kritiker verglichen die Einrichtung von Sammelstellen und die geplante Recyclingaktion mit Nazimethoden. Als pure Provokation lässt sich die Aktion jedoch nicht abtun, schließlich reagierte sie auf das durchaus schwierige Verhältnis der Deutschen zu Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“. Sarrazins Buch ist mit 1,5 Millionen verkauften Exemplaren das erfolgreichste Sachbuch nach 1945 in Deutschland. Obwohl seine Argumentation widerlegt wurde, erscheint es in Neuauflage. Es lässt sich also nicht leugnen, dass Sarrazins Buch auch weiterhin eine starke Faszination auf viele Deutsche ausübt. Martin Zets Aktion wirkte vor allem auf die Einbildungskraft. Allerdings wurde die durchaus befreiende Vorstellung sich durch eine öffentliche Aktion von dem Buch, das mittlerweile zum Symbol für Rassismus in Deutschland geworden ist, befreien zu können, durch die Assoziation an die Bücherverbrennung der Nazis verdrängt. Kritiker schafften es im Nu die Aktion als Gefährdung der Meinungsfreiheit und als Versuch zur Volkserziehung zu diffamieren. Die zweifelhafte Gleichsetzung der Aktion mit Naziverbrechen sorgte dafür, dass Institutionen, die zunächst zugesagt hatten eine Sammelstelle einzurichten, sich von dem Projekt distanzierten. Will man den Erfolg der Aktion, an ihrer Wirksamkeit messen, lässt sich die durch sie entzündete Debatte durchaus als Erfolg verbuchen. Dies ist jedoch längst nicht alles. Im Nachhinein betrachtet konfrontiert uns die Aufregung um die Aktion mit den Mechanismen der Meinungsbildung und der Abhängigkeit der Institutionen von öffentlicher Meinung. Abgesehen davon, das Rassismus im Namen der Meinungsfreiheit unterstützt wird, zeugt gerade die kontroverse Debatte, die die künstlerische Aktion auslöste, von einer Komplexität, die nicht in der Aktion selbst liegt, sondern in der Tatsache, dass sie einen Widerspruch offenlegt: Die durch die Aktion evozierte Erinnerung an Unterdrückung kollidiert nämlich mit dem Wunsch, sich von Sarrazins Buch, diesem Symbol für Rassismus in Deutschland, zu befreien.

 

Dass sich angewandte Gesellschaftskunst jenseits der Kontrolle des Künstlers ereignet und sich plötzlich sogar gegen ihn selbst richten kann, zeigt auch Nada Prljas „Peace Wall“. Die Künstlerin wollte auf das soziale Gefälle aufmerksam machen, indem sie auf der Friedrichstraße, nicht weit vom Checkpoint Charlie, an dem Ort wo exklusive Boutiquen an eine sozial schwache Wohngegend grenzen, eine Mauer errichten ließ. Die „Peace Wall“ unterscheidet sich von herkömmlicher Kunst im öffentlichen Raum. Sie erinnerte nicht nur an wirkliche Mauern, mit denen sich Reiche, zum Beispiel in Mexikostadt, vor der armen Bevölkerung zu „schützen“ versuchen, sondern stellte auch eine tatsächliche Intervention dar, weil sie den Verkehr auf der Friedrichstrasse für mehrere Wochen blockierte.

 

Einige Anwohner und Geschäftsinhaber hielten nichts von der Unterbrechung des täglichen Treibens und mobilisierten gegen die Kunstaktion. Morddrohungen und Beschädigungen an der „Peace Wall“ zwangen die Künstlerin schließlich dazu, dem vorzeitigen Abbau der Mauer zu zustimmen. Und wieder sind wir mit Fragen konfrontiert: Was steckt hinter der unverhältnismäßig großen Wut? Wie verhalten sich die Verantwortlichen, wenn Kunst aneckt? Die „Peace Wall“ konnte nicht um jeden Preis verteidigt werden. Aber welchen Preis zahlen wir, wenn wir zulassen, dass Kunst, die den Diskurs über soziale Missstände aus dem Museum auf die Straße trägt, aus dem Weg geräumt wird?

 

Kunst behauptet Artur Żmijewski ist ein Störung, die der soziale Körper erlebt, indem sie das Bewusstsein des einzelnen attackiert. Kunst habe die Macht in den geistigen Raum einzugreifen. Mit geistigem Raum meint Żmijewski, die Ansammlung von Gedanken und Emotionen, sowie deren Austausch in der Sphäre der Kommunikation ­– ein Kontinuum, welches er nicht als feste Ordnung, sondern als eine sich ständig wandelnde Organisation begreift. Żmijewskis Vorstellung von der sich verändernden Organisation des geistigen Raumes erinnert an Michel Foucaults Episteme, die historisch entstandene Erkenntnislogik einer bestimmten Epoche. In Ordnung der Dinge macht Foucault solche Denksysteme sichtbar, indem er die verschiedenen wissenschaftlichen Diskurse einer Zeit im Hinblick auf gemeinsame Strukturen untersucht. Indem Foucault die Bedingtheit des Denkens durch den Diskurs aufzeigte, versuchte er „den Menschen zu zeigen, dass sie weit freier sind, als sie meinen; dass sie Dinge als wahr und evident akzeptieren, die zu einem bestimmten Zeitpunkt der Geschichte hervorgebracht worden sind, und dass man diese Evidenz in den Köpfen der Menschen zerstören kann.“ Die Analyse des Diskurses führte Foucault dazu Aussagen als Ereignisse zu begreifen. Kunstaktionen wie sie die Biennale präsentiert zeichnen sich durch das Ereignishafte aus. Als Ereignisse intervenieren diese künstlerischen Arbeiten in bereits bestehende Diskurse. Als Ereignisse schaffen sie zudem neue, reale und imaginierte Erfahrungsräume und damit Möglichkeitsbedingungen für eine neue Ordnung der Dinge.

 

Auch Yael Bartanas Projekt JRMiP (Jewish Renaissance Movement In Poland) und die Aktion „Key of return“ reagieren auf aktuelle Diskurse und versuchen durch künstlerische Intervention den Status quo zu durchbrechen. Der utopische Aufruf an 3,3 Millionen Juden nach Europa zurückzukehren ist in der Ausstellung räumlich an die symbolische Botschaft palästinensischer Flüchtlinge gekoppelt, die in Form eines riesigen Schlüssels ihrer Hoffnung auf Heimkehr Ausdruck verleihen. Was würde passieren, wenn die Nachkommen der verfolgten und ermordeten Juden in die Heimat ihrer Eltern zurückkehren würden? Könnten dann auch die vertriebenen Palästinenser heimkehren? Gäbe es dann Frieden? Solche Vorstellungen sind utopisch. Es sind radikale Ideen. Aber vielleicht ist es notwendig künstlerische Fantasie zu aktivieren um Wege aus der Krise zu finden und um Kriege zu beenden. Die Anwesenheit des Schlüssels, der seinen Platz neben den Birken aus Birkenau im Hof der Kunstwerke gefunden hat, konfrontiert mit der komplexen Verstrickung von Gegenwartspolitik und Geschichte, mit den Auswirkungen der deutschen Kriegsverbrechen, die die Staatsgründung Israels und damit die Vertreibung der Palästinenser nach sich zogen. Angesichts der sich zuspitzenden Konflikte im nahen Osten stößt eine Aktion, die als Geste der Anerkennung erfahrenen Unrechts verstanden werden kann, eine öffentliche Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Vergangenheit an.

 

Kritiker befürchten, dass das Programm der Biennale einen einseitigen Blick auf den Nahostkonflikt wirft. Wer aber den Kongress der israelischen Künstlerin Yael Bartana im Rahmen des Jewish Renaissance Movement in Poland besuchte, konnte sich davon überzeugen, dass hier ein demokratischer Raum geschaffen wurde, in dem es gerade um die Einbeziehung aller, zum Teil sehr konträrer Standpunkte ging. An drei Tagen wurden Ideen für ein zukünftiges Europa gesammelt und in die Agenda der Bewegung aufgenommen. Auch mit dem „New World Summit“, einem zweitägigen Kongress des Künstlers Jonas Staal wurde ein Aktionsraum geschaffen, in dem nicht nur neue Formen demokratischen Handelns erprobt wurden, sondern Demokratie als Thema im Mittelpunkt der Diskussion stand. In der eigens für den Kongress entworfenen Architektur, einem aus Fahnen politischer Gruppierungen gebildeten Kreis, traten politische und rechtliche Repräsentanten von Organisationen auf, die gegenwärtig auf internationalen „Terrorlisten“ aufgeführt sind. Die Vertreter dieser Gruppierungen bildeten ein alternatives Parlament und damit einen neuen politischen Raum in Ergänzung zur bestehenden politischen Ordnung. Drei Anwälte und vier Aktivisten diskutierten vor allem über die Beschränkungen des demokratischen Systems, welches bestimmte Positionen durch die Kategorisierung „Terrorismus” ausschließt. Wer aber bestimmt was Terrorismus ist? Was für die einen eine terroristische Bedrohung darstellt, ist für die anderen politische Selbstbehauptung. Nicht selten wird das Recht auf Selbstbestimmung im Zeichen der Demokratie beschnitten und nicht selten stecken politische Voreingenommenheit, wirtschaftliche und militärische Interessen hinter der Brandmarkung politischer Organisationen. Staals Projekt, das auf die Grenzen von Demokratie aufmerksam machen wollte, wirkte auch als visuelles Ereignis. Im Verlauf der Aktion wurden die Fahnen umgehängt. Aus dem umlaufenden Gang, der den Tagungsraum abgrenzte, wurden am zweiten Tag Tore, durch die man den Innenraum von allen Seiten betreten konnte.

 

Die Symbolsprache, mit denen die Künstler und Aktivisten operieren, erscheint vielen zu plakativ, zu naiv. Dabei resultiert die Dominanz der Symbole auf der Biennale aus einem (mittlerweile auch wissenschaftlichen) Verständnis, wonach Symbolbildung nicht nur zu den Erkenntnisprozessen gehört, sondern auch ein wesentliches Element zwischenmenschlicher Beziehung ist. In der propagandistischen Aufmachung der JRMiP liegt eine reflektierende Dimension. Hier spiegelt sich nicht nur die Gefahr einer Vereinnahmung der Kunst durch politische Interessen, sondern auch die Macht der Symbole, wie auch unser Bedürfnis nach solchen sinnstiftenden Zeichen. Selbst wenn sich die Kunst nach der Erfahrung des Missbrauchs zur Selbstbetrachtung aus der Welt zurückzog, verschwanden nicht die Bilder als Mittel der Kommunikation. Im Gegenteil, das Bild erlebt einen unvergleichlichen Siegeszug im Zeitalter der Information. Weil wir sie in nur einem Augenblick erfassen können, weil sie unmittelbarer auf unsere Emotionen wirken, lässt sich mit Bildern schneller und eindrücklicher kommunizieren als mit Worten.

 

Neben Khaled Jarrars Aktion, der Reisepässe mit einem von ihm entworfenen “State of Palestine”-Stempel stempelt und auf diese Weise jedem Bürger die Chance zu einem symbolkräftigen Statement gibt, erscheint die Kraft des Symbols auf der Biennale auch in einer anderen, von einem Kunstpublikum weniger gefeierten Form. Ein riesiger Christuskopf in der Ausstellung referiert auf die 36 Meter hohe Figur in Świebodzin, durch die ein polnischer Pfarrer den unbedeutenden Ort zum Anziehungspunkt für Pilger machte. Der Erfolg des riesigen Christus zeugt nicht nur von der Macht, die Kirche und Religion in Polen besitzen, sondern verweist auch auf die Möglichkeiten einer Kunst, die sich ihrer Wirkkraft oft nicht bewusst ist.

 

Erinnerungspolitik ist ein Bereich für den Kunst oft tätig ist. Von Künstlern gestaltete Denkmale sind Teil der Erinnerungskultur und prägen das kollektive Gedächtnis. Kunst die Gedächtniskultur untersucht, macht nicht nur auf ihre Sensibilität, sondern auch auf verfestigte Strukturen aufmerksam. Der Ausschluss der Videoarbeit „Berek“ aus der Ausstellung „Tür an Tür“ im Martin-Gropius-Bau vor einigen Monaten zeigt deutlich, dass das Thema Holocaust nicht ohne Einschränkungen verhandelt werden darf. Die Videoarbeit sorgte für Ärger, weil sie eine Intervention in die aktuelle Erinnerungspolitik darstellt. Sie verstößt gegen eine Erinnerungskultur, die auf bestimmten Ästhetiken und Narrationen in Denkmalen, Ausstellungen und Gedenkstätten beruht. Łukasz Surowiec‘ Projekt „Berlin-Birkenau“ ist der Versuch eines neuen künstlerischen Umgangs mit dem Erinnern an die Menschheitsverbrechen des nationalsozialistischen Regimes, indem es einer versteinerten Erinnerungspraxis eine Aktion, eine gelebte Erinnerung entgegenstellt. Wenn man Geschichte nicht als unveränderten Gegenstand begreift, sondern als gedankliche Konstruktion, in der sich das gesellschaftliche Verhältnis zu Vergangenem ausdrückt, dann erscheint es nur konsequent neue Wege des Erinnerns zu suchen. Bezeichnend für die Arbeiten einer jüngeren Künstlergeneration, zu der auch Yael Bartana und Artur Żmijewski zählen, ist, dass ihre Funktion über das Erinnern an den Völkermord hinausgeht. Indem sie Vergangenes thematisieren, verweisen sie auf gegenwärtige Entwicklungen und stellen diese zur Diskussion. Neben diesen künstlerischen Arbeiten zeigt die Biennale weitere Möglichkeiten des Umgangs mit Geschichte. Im Deutschlandhaus führt die Ausstellung der Stiftung ,Flucht, Vertreibung, Versöhnung die Erzeugung‘ die Erzeugung neuer, diskussionswürdiger Narrative vor Augen. Eine Dokumentation der Rekonstruktion der Schlacht um Berlin ´45 vermittelt das immer stärker werdende Bedürfnis nach unvermittelter, körperlicher Erfahrung historischer Ereignisse durch ihre Wiederholung.

 

Eine von dieser Strategie sicherlich weit entfernte, aber nicht weniger körperliche Auseinandersetzung mit Vergangenem ist „Born in Berlin“ von Joanna Rajkowska. „Born in Berlin“ erzählt die Geschichte eines Anfangs. Joanna Rajkowska, deren Familie durch die nationalsozialistische Schreckensherrschaft auseinander gerissen wurde, setzt ein Zeichen, indem sie der Stadt, von der aus die Vernichtung einst ausging, ein neues Leben widmet. Als Geburtsort ihrer Tochter Rosa erhält die Stadt für ihre Familie eine neue, gegenwartsbezogene Bedeutung. Ist dieser Akt als Geste der Versöhnung zu verstehen? In dem Fall wäre „Born in Berlin“ nicht nur die Geschichte eines natürlichen Anfangs, sondern auch Metapher für einen politischen Neubeginn. Die Künstlerin verwandelt die private Geschichte der Geburt ihrer Tochter in ein öffentliches Ereignis. Worüber sich die meisten Kritiker empören ist der Zweckgedanke, der sich ihnen bei der Verbindung von Kunst und politischen Aktivismus aufdrängt. „Born in Berlin“, als Beispiel für den Übergang aus der privaten in die öffentliche Sphäre, lässt über den Ursprung des politischen Handelns nachdenken, das damit begann, dass Menschen sich öffentlich organisierten.

 

Immer wieder hat es solche Anfänge gegeben. Immer wieder unterbrechen Menschen den Lauf der Dinge, indem sie sich gemeinsam gegen Unterdrückung und Ausbeutung auflehnen. In jedem Neubeginn steckt für Hannah Arendt daher auch die Erfahrung von Freiheit. Laut Arendt realisiert sich Freiheit da, wo politisches Handeln beginnt. Was bedeutet ein so verstandenes Verhältnis von Politik und Freiheit für die Kunst? Ist es möglich, dass Kunst, die sich politisch engagiert ihre Freiheit nicht verliert, sondern im Gegenteil, die Chance erst ergreift? Das Motto des diesjährigen Biennale lautet „Forget Fear“. Wir sollten einen Anfang wagen.

„Peace Wall” von Nada Prlja

In der Friedrichstraße steht eine Mauer. Endlich sind wir auf dem Weg, Frieden zu stiften. [...]Mehr >

7-berlin-biennale-nada-prlja-003

„State of Palestine” von Khaled Jarrar

Khaled Jarrar ist ein palästinensischer Künstler, der beschlossen hat, die Existenz eines nicht-existierenden Staates auszurufen. Als Herausforderung der israelischen Grenzpolitik entwarf er einen Passstempel für den Staat Palästina und unternahm seine erste Stempel-Aktion am Zentralen Busbahnhof von Ramallah. [...]Mehr >

7-berlin-biennale-khaled-jarrar-002

„Berlin-Birkenau” von Łukasz Surowiec

Das Projekt Berlin-Birkenau bringt einige Hundert junge Birken aus der Umgebung des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau nach Berlin, wo sie an neuen Plätzen über das Stadtgebiet verteilt Wurzeln schlagen können. Diese Bäume stammen aus einem Boden, der die Spuren unzähliger Toter trägt. [...]Mehr >

7-berlin-biennale-lukasz-surowiec-thumbnail

„Born in Berlin” von Joanna Rajkowska

Ich beschloss, meine Tochter Rosa im Berliner Krankenhaus Charité zur Welt zu bringen. Diese Stadt war der erste Ort, an dem sie Kontakt zur Welt aufnahm. Ihr ganzes Leben lang wird sie von nun an auf die Frage: „Wo wurdest du geboren?” antworten: „In Berlin”. [...]Mehr >

7-berlin-biennale-joanna-rajkowska-003
Shop
10. Berlin Biennale