Stellungsnahme zur Absage der Veranstaltung „Ein Abend ohne Christian Worch"

vom Brimboria Institut

 

Die Veranstaltung „Ein Abend ohne Christian Worch“, die am 26. Juni im Rahmen der Berlin Biennale in den Kunst-Werken Berlin (KW) stattfinden sollte, wurde gestern, am 25. Juni frühabends, von der Leitung der KW abgesagt. Wir haben diese Veranstaltung konzipiert, ausgearbeitet und sollten sie auch durchführen.

 

Zur Absage wollen wir folgende Stellungnahme abgeben:

 

Wir nennen uns BRIMBORIA Institut (BI) und arbeiten seit 2008 an den Schnittstellen Kunst, Diskurs, Gesellschaft. Zudem haben wir auch diverse Workshops zu politisch-bildnerischen Aspekte und Strategien gegen Rechts durchgeführt. Nicht zuletzt waren und sind wir bei etlichen Aktionen der Front Deutscher Äpfel, -einem satirischen AntiNaziProjekt- aktiv.

 

Wohl aufgrund dieses Profils wurden wir bereits zu Beginn der Programmentwicklung von der Berlin Biennale direkt angefragt, ob wir Interesse hätten, ein Projekt zum Thema NAZIS im künstlerischen Kontext der Berlin Biennale zu realisieren.

 

Schon im frühen Stadium der Projektentwicklung wurde festgelegt, dass die wünschenswerteste Situation wäre, einen echten NAZI bei der Veranstaltung zu haben; und letztlich auch zu befragen. Dieses wurde seitens der Biennale ausdrücklich begrüßt und gebilligt. Aus jetzt nicht zu erörternden Gründen wurde als ‚idealer Gast’ die Person des Herrn Worch visiert.

 

Aufgrund folgender Aspekte wurde dann der Veranstaltungstitel „Ein Abend ohne Christian Worch“ gewählt und mit dem Terminus der Nicht-Einladung an den betreffenden Herrn gearbeitet:

 

Es war allen Beteiligten sonnenklar, dass es eine riskante und auch zu recht umstrittene, wenn nicht skandalträchtige, Angelegenheit wäre, einen Nazi zu präsentieren. Präsentieren war aber nicht das Ziel.

Es sollte kein unnötiger –und ein letztlich dem Anliegen und die Biennale schädigender- Aufschrei stattfinden; auch deswegen wurde die Veranstaltung ans Ende des Biennale-Zeitraums gelegt. Auch sollte –zumindest nach unserem Ansinnen- keine Pressearbeit gemacht werden; idealerweise wäre auch keine Presse da gewesen, so das Kalkül. Das Projekt sollte eben nicht der üblichen Logik des Spektakels folgen.

Die Veranstaltung sollte ausschließlich auf die Besucher wirken und dokumentiert werden. Aus der Dokumentation hätten dann, je nach Materiallage und Gang des Arguments, weitere Verwendungszwecke sich erschlossen.

 

Außerdem sollte durch die Formulierung des Projekts nicht die Gefahr einer Mobilisierung eines dieser Spielart nahe stehenden‚ ‚falschen’ Publikums provoziert werden.

 

Weiterhin war es über einen geraumen Zeitraum nicht sicher, ob es zu einer Anwesenheit des Herrn Worch überhaupt käme.

 

Und grundsätzlich: die offensichtlich absurde Formulierung ‚Nicht-Einladung’ ist bei einem Projektgespräch im Februar mit den Mitarbeitern der KW und dem Kurator festgelegt worden. Uns wurde eine Position der KW –die Biennale erschien uns damals wegen der Sarrazin-Sache unter Druck- vermittelt, die sich wesentlich so darstellte: es darf nicht so aussehen, als würden wir aktiv einen Nazi einladen (davor hieß unser Projekt übrigens noch „Ein Abend mit Christian Worch“); außerdem darf auf keinen Fall Steuergeld (der Kulturstiftung) als Honorar an Herrn Worch fließen. Dem haben wir zugestimmt – und es wäre auch kein Geld geflossen. Niemals wurde uns bedeutet, dass diese Art der Auseinandersetzung ein absolutes No-go ist; deutlicher wurde vermittelt: man wolle ja nicht zensieren, es gäbe diesbezüglich ja Vorwürfe – man hätte nur die Bitte, nicht zu offensiv damit umzugehen.

 

Als am 25. Juni die Leitung der KW nun wohl plötzlich realisierte, dass eine Teilnahme von Herrn Worch anzunehmen ist, wurde die Veranstaltung definitiv und für uns überraschend abgesagt. Die Begründungen –wie sie im Gespräch uns gegenüber formuliert wurde- waren: wir hätten drei Tage vor der VA das Projekt wesentlich verändert; und es wurde direktorisch entschieden, dass Herr Worch die KW nicht betreten darf.

Wir haben Vorschläge gemacht, die Veranstaltungskonzeption so zu variieren, dass im prononcierten Sinne von ‚Nazis eine Bühne’ bieten nicht gesprochen werden kann. Letztlich wurde die Debatte nach wenigen Minuten aber abgebrochen, da seitens der KW uns das Misstrauen ausgesprochen wurde. Uns wurde mehrfach generös geraten, wir könnten uns ja eine andere Spielstätte suchen. Putzig, dabei hatte man uns ursprünglich eingeladen…

 

Wir haben, sobald klar war, dass definitiv mit der Anwesenheit von Herrn Worch zu rechnen ist, dieses auch kommuniziert. Dazu können wir interessierten Seiten gern die ganze Zeitleiste aufmachen. Definitiv haben wir nicht das Konzept der Veranstaltung sehr kurzfristig maßgeblich verändert, es war von Anbeginn so konzipiert und diskutiert worden.

 

Befremdet hat uns, dass offenbar keinerlei Interesse der Leitung des Hauses bestand, über die Inhalte, unsere vorbereiteten Fragen, Filmeinspieler und Statements zu reden – wobei gewiss deutlicher geworden wäre, welche Facetten der Ideologie und Praxis, aber auch der Persönlichkeit eines Nazis befragt und für die Besucherinnen und Besuchern zu kritischer Rezeption hervorgehoben werden sollten.

 

Menschlich befremdet hat uns außerdem, dass selbst beim Vorschlag, den Veranstaltungsablauf zu ‚entschärfen’ – die Aussage getroffen wurde, dass Herr Worch nicht einmal –in unserer Begleitung- die KW betreten darf.

 

Nochmals ausdrücklich, falls das jemand nicht mitgeschnitten haben sollte: Wir finden Nazis nicht gut. Überhaupt nicht gut. Deswegen engagieren wir uns auch schon seit Jahren gegen sie. Uns interessieren allerdings jeweils neue, auch ungewöhnliche Mittel. Wir meinen, dass wir uns nicht am Vorabend der Machtergreifung befinden; wir meinen, dass wir auch Nazis selbstbewusst gegenüber treten können; wir meinen, zur Fortentwicklung gesellschaftlicher Strategien gegen Rechts bedarf es auch ab und wann der direkten argumentativen Auseinandersetzung mit Funktionären dieses Lagers. Wo sich dann die Frage stellt: in welchem Rahmen können wir reden? Wir nahmen an, durch unser Verständnis, was wozu und wie Kunst, Kunstkontext Thematisierungen auch sperriger Erscheinungen unserer Realität ermöglichen kann – es dieser Rahmen, der Rahmen Berlin Biennale, zumal mit ihrem aktuellen Grundprogramm- sein könnte. Worin wir auch seitens der Biennale, aber auch von anderer Seite ausdrücklich bestärkt wurden.

 

Wir lassen auch nicht den subkutanen Vorwurf der Leitung der KW zu, wir würden unverantwortlich vorgehen – gerade die Ankündigungspolitik auf Wunsch der Verantwortlichen und unser Vorgehen seit ca. Februar war Ausdruck der Vorsicht. Unser Ziel war nie Nazis zu protegieren, Propaganda zu produzieren, Saalschlachten zu provozieren. Wir hätten unserem Publikum, also etliche, mit denen wir dieses Projekt vorbesprochen und alle Zweifel abgewogen haben, aber auch den anderen Interessierten, gern diesen Abend gezeigt. Wenn nun von der Leitung der KW auf unsere Position: Wir gehen nicht davon aus, das unser Publikum durch die Anwesenheit und Auskünfte von Herrn Worch seine demokratische Festigkeit verliert, geantwortet wird: da seie man sich nicht so sicher –  dann gilt das wohl für Ihr Publikum, gewiss aber  nicht für unseres! Aber ja, schicken Sie doch Ihr Publikum in den Hof zu den armen Occupy-Leuten zum Kindergeburtstag.

 

Da bleibt uns nun nichts anderes mehr übrig, als uns bei Artur für das Vertrauen zu bedanken und ihm Achtung zu zollen für die Haltung, dass man sich auch strittigen und gesellschaftlich höchst virulenten Themen zu stellen hat. Wir entschuldigen uns bei unseren vielen Helfern für die unnötige intellektuelle Arbeit. Wir entschuldigen uns beim Publikum für die geweckte Erwartung und bedanken uns bei Herrn Christian Worch für die Bereitschaft, sich kritischen Fragen zu stellen.

 

Wir wünschen der Leitung der KW bei seinem heldenhaften und so genial vorausschauenden Antifaschismus ebenso viel Erfolg wie bei seiner inneren Organisation  – und uns ne schöne Woche. Eine Woche ohne Kunst.

ABGESAGT: „Ein Abend ohne Christian Worch” von Brimboria Institut

„Ein Abend ohne Christian Worch” ist eine performative Auseinandersetzung mit dem Umgang mit Nazis in der Öffentlichkeit. Hierzu werden die Gäste am 26. Juni 2012 eingeladen, einer Veranstaltung beizuwohnen, zu welcher der führende Kopf der Freien Kameradschaftsszene, Christian Worch, nicht eingeladen wird. [...]Mehr >

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Absage der Veranstaltung des Brimboria Instituts

Die KW Institute for Contemporary Art haben die für den 26. Juni geplante Veranstaltung „Ein Abend ohne Christian Worch“ im Rahmen der 7. Berlin Biennale kurzfristig abgesagt, da entgegen bisheriger Absprachen und Informationen der bekannte Neonazi Christian Worch aktiv zur Teilnahme an der Gesprächsveranstaltung eingeladen wurde. [...]Mehr >

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