Marion von Osten

Autorin und Ausstellungsmacherin, arbeitet in Wien, lebt in Berlin

Unlängst habe ich mich dabei ertappt, immer wieder dieselbe Erzählschlaufe zu entwickeln, wenn es um die Frage geht, warum es in einer Stadt wie Berlin so wenig öffentliche Institutionen für zeitgenössische Kunst gibt. Meist beginne ich jeweils ein bisschen hilflos, meinen internationalen KollegInnen begreiflich zu machen, dass Berlin eigentlich bislang noch keine Stadt der bildenden Kunst war, sondern eher des Theaters und des Films, und es daher so viele Stadt- und Staatstheater gebe … und die Berlinale. Da diese Erklärung unbefriedigend bleibt, da ja Berlin jetzt von sich überall behauptet, eine internationale Kunststadt zu sein, versuche ich es noch mal anders mit dem ehemaligen Inselstatus von Berlin zu erklären, der für die bildende Kunst eine gewisse Provinzialität befördert habe und bestimmte Seilschaften … und stoppe gleich wieder. Kann dann selber kaum glauben, dass ich mich da auf Achtzigerjahre-Westrealitäten beziehe, um das Heute zu erklären. Es gibt noch die ein oder andere Schleife, die ich in diesen Erklärungsnotstand einbauen kann, etwa die ärgerliche Tatsache, dass so viele Wahlberliner in anderen Städten oder im Ausland arbeiten müssen, um die Kulturbrötchen zu verdienen, und die Pendelei die Szene zerstört hat. Am Ende sage ich es dann meistens möglichst einfach, dass die Stadt sich in den Neunzigern verspekuliert hat und immer noch bankrott ist. Irgendwann fällt mir dann auch noch ein, dass sie Regierungssitz ist, die Hauptstadt eben, und sich seitdem lieber mit Repräsentationsprojekten beschäftigt, wofür dann allerhand Finanzen und Interessen mobilisiert werden können. Wenn die Augen meiner Zuhörer allzu groß werden und die Frage, warum ich dann dort bleiben will, gestellt wird, werde ich langsam sprachlos; denn nur wegen der günstigen Mieten kann es ja wohl nicht sein.

 

 

Quelle: P/Act for Art: Berlin Biennale Zeitung

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10. Berlin Biennale