Künstler Łukasz Surowiec, Foto: Marcin Kaliński
Rede von Hilla Metzner anlässlich der Pflanzung von zwei Birkenbäumen in der Ruth-Cohn-Schule
Hilla Menzer ist Lehrerin an einer Fachschule für Sozialpädagogik in Berlin. Ihr Anliegen ist es, jungen Menschen ein Bewusstsein für die zerstörenden aber auch mutigen Kräfte von Menschen, von Politik im Krieg und Holocaust zu vermitteln.
Als ich mich für den heutigen Tag vorbereitete, habe ich überlegt, was mir der Baum Birke sagt.
Meine erste Birke stand vor unserem Haus in Hilden, wo ich in meiner Kindheit und Jugend wohnte im Rheinland. Ich fühlte ihre glatte Haut mit den Schrunden und zupfte gerne an den weißen glatten Fäden der Rinde. Ich freute mich an den Lichtflecken auf dem Rasen, die bei Sonne durchschienen und so lebendig wirkten. Der Baum war am Anfang fast zittrig, die Äste beweglich und weich, vor allem wenn der Wind wehte.
Und jetzt ein großer zeitlicher Sprung. Nach der Wende, nach 1989, interessierte ich mich noch stärker für unsere Nachbarn Polen. Ich wollte in Polen das Licht, die Weite im Osten, die ich aus Filmen, Erzählungen und Romanen kannte, gerne selber kennen lernen. Ich interessierte mich aber auch für die polnische Kultur und die Menschen heute. Sie hatten sich etwas Eigenes im Kommunismus erhalten und weiter entwickelt, und sie hatten stark unter den Deutschen, der Generation meines Vaters, gelitten. Viele begegneten mir mit meinem holprigen Polnisch sehr freundlich.
1984, als ich das erste Mal mit einer Klasse unserer Schule in Auschwitz war, war ich so erschüttert von der Anlage, dem Grauen, dass ich nur die Gleise, die Kammern, die Baracken, aber keine Birken, die Schönheit Krakaus nur wenig, das gegenwärtiges Polen kaum sah.
Ich begann nach 1995 Polnisch zu lernen, fuhr oft nach Polen und sah immer häufiger, dass Birken Teil der polnischen Kulturlandschaft sind – im Osten, Süden und Norden Polens – auch in Birkenau.
Die größten Birken sah ich in Lancut, einem Schloss bei Rzeszow in Südpolen. Sie waren mehr als 40 Meter hoch und boten ein wunderbares Dach, unter dem man auf der Wiese liegen konnte.
Vor drei Wochen, auf der Fahrt zurück aus Krakau, wo ich jetzt nach Ostern war, sah ich wieder die frischen grünen Birken am Rand der Gleise und viele Baumreihen und Bauminseln in der Landschaft und ich freue mich jedes mal über diese schönen Bäume, aber inzwischen sind sie für mich nicht mehr nur schöne Bäume, sondern auch mit der deutschen und polnischen Geschichte im Nationalsozialismus verbunden.
So sprach mich die Einladung zu dieser Birkenpflanzung mit Lukasz Surowiecs in der Gartenarbeitsschule Ilse Demme in Wilmersdorf vor einigen Wochen sehr persönlich an. Ilse Demme war eine Lehrerin und Sozialpädagogin in Wilmersdorf, die als Jüdin in Auschwitz war und es als eine der wenigen überlebte.
Sie baute nach 1949 die Gartenarbeitsschule für Kinder und Jugendliche, in der jetzt sechs neue Birken aus Birkenau stehen, auf. Auch in unserer Schule gibt es Bezugspunkte zu einer Birkenpflanzung aus Auschwitz/Birkenau.
Wir begehen jedes Jahr mit vielen engagierten und zum Teil leidgeprüften Menschen und Zeitzeugen den Gedenktag gegen das Vergessen, die Erinnerung an die Befreiung von Auschwitz am 27. Januar.
Aus der Tatsache, dass die Deutschen Vernichtungslager wie Majdanek, Treblinka, Brzezinka, im Krieg in Polen anlegten, die heute noch Orte der Erinnerung sind, haben sich viele Menschen vor allem für diesen Teil der Geschichte in Polen interessiert.
So wird Auschwitz heute von vielen Deutschen nur als Symbol eines Vernichtungslagers, Birkenau, Brzezinka, und nicht als Aue wahrgenommen. „Polen ist nicht nur ein jüdischer Friedhof” – hieß dazu eine Veranstaltung im Rahmen der gerade stattfindenden 7. Biennale für zeitgenössische Kunst, in deren Rahmen diese Aktion heute stattfindet.
Dieser rückwärtsgewandte Blick ist nicht immer leicht – vor allem für die dort lebenden jungen Polen, denn sie wurden und werden oft nicht unabhängig als Menschen in ihrer heutigen vielfältigen Kultur wahrgenommen, sondern im Zusammenhang mit Orten der Vernichtung gesehen, die aber nur ein kleiner Teil ihrer Geschichte sind, aber ein großer Teil unserer Geschichte.
Wenn wir also heute mit dieser Pflanzaktion einen kleinen Ort der Erinnerung von Polen nach Berlin tragen, dann kann das sowohl eine Erinnerung an alle politischen und sozialen Verbrechen und menschlichen Schicksale, die mit Auschwitz und Birkenau verbunden sind, sein, aber auch ein Anlass, den Blick noch weiter für unsere östlichen polnischen Nachbarn zu öffnen.
Bäume sind immer auch zukunftsweisende und lebendige Organismen, die uns zeigen, in welcher Verbundenheit wir zur Natur stehen. Das ist für mich auch ein weiteres wichtiges Symbol. Dazu wäre mein Wunsch, auch eine Partnerschaft mit einer polnischen Schule aufzubauen.
Ich möchte auf diese Weise auch Lukasz Surowiec danken, der diese Idee hatte und verwirklichte.
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